Auf
mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzen geht nicht?- Und ob! In den letzten
beiden Monaten hatten wir nämlich das große Glück, gleich auf zwei solcher
Feierlichkeiten eingeladen zu sein.
Die Hochzeit ist eines der wichtigsten,
wenn nicht sogar DAS Lebensereignis eines Inders/einer Inderin, da ist es
durchaus üblich zwischen 500-2000 Gäste einzuladen, auch wenn es „nur“ die
Volunteers aus
dem Büro des Bruders sind, wie in unserem Fall bei Hochzeit Nummer eins.
dem Büro des Bruders sind, wie in unserem Fall bei Hochzeit Nummer eins.
Bei dieser handelte es sich um eine hinduistische Hochzeit, welche
in der Regel ein oder zwei Tage, aber auch bis zu einer Woche dauern kann.
Wir waren bereits schon am Abend vor der eigentlichen Hochzeit in das Haus der
Braut eingeladen, wo die Familie und engsten Verwandten und Freunde zahlreiche
Riten und Pujas (Gebetszeremonien) rund um die Braut durchführten.
So wurden
ihre Hände und Arme unter anderem mit Hennafarbe verziert und eingeölt, sowie
sie und ihre Schwiegermutter gemeinsam mit Reis beworfen und anschließend mit
gesegnetem Wasser begossen, um symbolisch ein gutes Verhältnis zwischen den
beiden zu schaffen.
Auch ein Besuch des Tempels durfte nicht fehlen, der die
ganze Zeit von musikalischer Untermalung begleitet wurde.
Spät am Abend fuhren
dann alle Gäste in die sogenannte „Marriage hall“, eine große hotelähnliche
Anlage mit Festsaal, Unterkünften für die Hochzeitsgesellschaft und einem
riesigen Speisesaal, wo noch ein Abendessen serviert wurde.
Am nächsten
Morgen hieß es früh aufstehen und sich mit der Hilfe einer indischen Freundin
aus dem Office in unsere extra für diesen Anlass gekauften Saris zu kleiden. In
den vorher geplanten 15 Minuten war dies dann allerdings doch nicht getan und
nach vier mal neu wickeln, 12 Händen und zweieinhalb Stunden später saßen
unsere Gewänder und jede ihrer Falten endlich perfekt! Nach einem kurzen
Frühstück gingen wir in die große Festhalle, wo auf einer Bühne das Brautpaar
und ein Priester sämtliche Hochzeitsrituale vollzogen. Diese hier alle aufzuführen und zu erläutern, würde allerdings
vermutlich den Rahmen sprengen, außerdem wissen wir leider zu wenig über die
genauen Bedeutungen und Hintergründe, da wir die Braut nicht persönlich kennen
und nur zwei weitere unter mehreren hundert Gästen waren.
Ein letztes dieser Rituale war zum
Beispiel das gegenseitige Umhängen von Blumenketten, das in etwa dem uns
bekannten Ringtausch gleich kommt. Nachdem alle Gäste grüppchenweise dem
Brautpaar ihre Geschenke übergeben und ein Foto mit diesem gemacht hatten, ging
es in den Speisesaal, wo ein für diesen Anlass typisches, mehrgängiges
Mittagessen auf Bananenblättern serviert wurde. Gegen späten Nachmittag
verließen auch wir die Feier und fuhren zurück ins Kinderhostel.
Die zweite Hochzeit war
genaugenommen noch nicht die „richtige“ Hochzeit, sondern das sogenannte
„Engagement“(Verlobung). Bei christlichen Hochzeiten in Indien ist es so, dass
zunächst von der Familie der Braut diese Verlobungsfeier ausgerichtet wird,
welche für die Brautfamilie den Stellenwert der eigentlichen Hochzeit einnimmt und
genauso groß gefeiert wird. Hierbei ist es in vielen Familien Tradition, dass
die Brauteltern den engsten Verwandten und Freunden zuvor neue Kleidung für das
Engagement kaufen.
Da es sich um die Verlobungsfeier einer unserer
Gastschwestern handelte, bekamen auch wir beide mit den Worten „You are our
akkas, so you are also family“ Sarees geschenkt, was uns natürlich unglaublich
freute!
Da die Hochzeit beziehungsweise
Verlobungsfeier ein so wichtiges Ereignis ist und zudem in diesem Fall im Hause
der Braut stattfand, waren auch die Vorbereitungen, vor allem im letzten Monat
vor dem Engagement, sehr umfangreich. Neben unzähligen Einkäufen und
Besorgungen, dem Aussuchen der
Einladungskarten (die übrigens alle per Hand von den Geschwistern der Braut
geschrieben und anschließend per Post versendet, jedoch wenn möglich persönlich
übergeben werden), sowie zahlreichen Terminen bei Schneider, Blumenhändler und
co, wurden außerdem Haus und Hof neu gestrichen, aufgeräumt und verschönert.
Am Vorabend des Engagements gingen
wir zu unserer Gastfamilie nach Hause
(i.d.R. übernachten wir hier ja nur montags und dienstags, während wir die
restlichen Tage mit den Kindern im Hostel bleiben) und halfen gemeinsam mit
Freunden und engen Verwandten, die restlichen Vorbereitungen, wie das Aufbauen
der Pavillons, Anbringen von Deko und Luftballons, abzuschließen. Danach gab es
noch Abendessen vom Catering Service und wir trugen gemeinsam mit den Cousinen
und Freundinnen der Braut gegenseitig Henna auf, bevor es sehr spät zurück ins
Kinderheim ging.
Nach drei Stunden Schlaf hieß es dann auch schon wieder Aufstehen
und „Aktion Sari-wickeln 2.0“. Glücklicherweise dauerte es dieses Mal nicht
ganz so lange und gegen halb neun machte sich das komplette Hostel im VIKASANA
Bus auf nach Tarikere.
Dort angekommen, gab es zunächst Frühstück, bevor es weiter in
die Kirche ging, wo ein katholischer Gottesdienst, der vom Ablauf her dem in
Deutschland stark ähnelte, gefeiert wurde. Auch fand der Ringtausch, der das
zukünftige Paar offiziell zu Verlobter und Verlobtem machte, statt.
Im
Anschluss ging es zurück zum Haus der Braut, wo das Paar im Rahmen der
sogenannten „Reception“ gemeinsam den Hochzeitskuchen anschnitt und sich
anschließend auf einer Art Bühne von allen Gästen gratulieren und vom
Fotografenteam ablichten ließ. Diese Prozedur kann bei ca 300-500 Gästen dann
doch irgendwann ganz schön anstrengend für die beiden werden… Zum Abschluss gab
es noch Mittagessen, ebenfalls auf Bananenblättern serviert, sowie Chai und
Snacks.
Die eigentliche Hochzeit ist dann
Sache der Familie des Bräutigams und wird zwei Wochen nach dem Engagement
stattfinden. In der Zeit zwischen Verlobung und Hochzeit ist es Tradition, dass die Braut sämtliche
Verwandte besucht und mit ihnen mindestens eine Mahlzeit einnimmt und teilweise
sogar über Nacht bleibt.
Vermutlich
stellt sich der ein oder andere Leser nun beim Thema „Hochzeit in Indien“ die
Frage, was es denn mit der arrangierte Ehe auf sich hat und ob es sich bei den
Hochzeiten, die wir besuchten, jeweils um eine solche handelte? Um es gleich zu
sagen - ja, es waren beides arrangierte Ehen. Allerdings muss ganz klar bemerkt
werden, dass eine arrangierte Heirat nicht mit einer Zwangsheirat
gleichzusetzen ist! Vielmehr entscheidet das Brautpaar hier selbst, ob sie
denken, dass sie zusammenpassen und die Ehe eingehen wollen oder nicht. Wir
haben uns viel über das Thema mit unseren Gastschwestern unterhalten und möchten
versuchen, es an deren Beispiel etwas verständlicher zu machen.
Im
Gegensatz zu Deutschland, wo das Individuum den höchsten Stellenwert einnimmt, ist
es in Indien so, dass die Familie an erster Stelle kommt.
Das macht auch
durchaus Sinn, bedenken wir doch, dass, anders als in Deutschland, wo der Staat
für die soziale und finanzielle Absicherung sorgt (Sozial- und
Krankenversicherung, Hartz4 etc.), diese Aufgaben in Indien zum größten Teil der Familie
obliegen. Da ist die Wahl eines passenden Ehepartners umso wichtiger und durch
Abwägung rationaler Gründe eher gewährleistet als durch Leidenschaft, die
schnell umschlagen kann. Viele Paare entwickeln im Laufe der Zeit auch Gefühle
füreinander.
Der ganze
Prozess der „Partnersuche“ bei einer arrangierten Ehe läuft in etwa so ab, dass
die Familie der/des Heiratswilligen unter den Verwandten/Bekannten verkündet,
dass die Tochter/ der Sohn gerne heiraten möchte und diese sich dann nach
passenden, ebenfalls heiratswilligen Partnern umhören. Wenn ein potenzieller
Heiratskandidat gefunden wird, kommt es zu mehreren Treffen zwischen den
Familien, dem Bräutigam und der Brautfamilie, dem zukünftigen Brautpaar, sowie zu einer
Besichtigung des Hauses des Bräutigams durch die Familie der Braut, da diese im
Falle einer Heirat zu ihrem Mann zieht.
Anschließend
entscheiden die beiden dann, ob sie heiraten möchten, und wenn dies so
ist, werden Verlobung und Hochzeit
organisiert.
Die Verlobungsfeier ist hierbei Sache der Brautfamilie, die
tatsächliche Hochzeit wird von der Familie des Bräutigams ausgerichtet.
Im Falle
unserer Gastschwester wäre ihre Familie, wenn sie jemanden gehabt hätte, auch
mit einer Liebeshochzeit einverstanden gewesen. Zudem lehnte sie eine frühere
Hochzeitsanfrage ab, da sie der Meinung war, der Mann würde nicht zu ihr passen.
Mit 26 Jahren ist sie bereits eine verhältnismäßig alte Braut, die meisten
Frauen heiraten vor ihrem 25. Lebensjahr, Männer in der Regel bis zu ihrem 30.
Rechtlich gesehen dürfen Frauen ab 18, Männer ab 21 Jahren heiraten.
Neben der
Möglichkeit seine/-n Zukünftige/-n über Bekannte kennenzulernen, gibt es außerdem
diverse Hochzeitsportale im Internet, in denen man sich registrieren lassen
kann und mögliche Partnervorschläge erhält.
Wichtig zu
erwähnen ist zudem auch, das arrangierte Ehen zwar in Indien weit verbreitet
sind, es aber durchaus auch Liebeshochzeiten gibt, wie zum Beispiel bei zwei
von VIKASANAs Mitarbeitern, die wir kennenlernten.
So zeigt
sich wieder, dass Indien ein Land voller Diversitäten und Unterschiede ist, die
man nie verallgemeinernd betrachten darf, sondern immer differenziert und im
Kontext um das Land und seine Bewohner wirklich zu verstehen.
Wir hoffen,
dass mit diesem Artikel ein kleiner Einblick über dieses doch sehr komplizierte
und sensible Thema, das häufig mit vielen Vorurteilen und Klischees belastet
ist, geschaffen wurde.
Zu Beginn bekam jeder Gast Armreifen geschenkt |
Auch wir beide durften m Brauch des Reiswerfens teilnehmen |
Die Marriage hall von draußen... |
...und von innen |
Eines von vielen Ritualen, ist das Begießen der Hände des Brautpaares mit Milch.
Anschließend wird ein Rupie als Glücksbringer in die Kokosnuss geworfen.
|
Hier werden die Schals von Braut und Bräutigam miteinander verknotet.
Deswegen lautet ein umgangssprachlicher Ausdruck fürs Heiraten auch "Den Knoten knüpfen"
|
Braut und Bräutigam hängen sich gegenseitig die Blumenketten um |
Die Braut bekam außerdem eine Halskette |
Ein Hochzeitskuchen durfte ebenfalls nicht fehlen |
Die aufwendigen Hennaverzierungen der Braut |
Vor der Marriage hall mit einigen Office-Mitarbeitern und Hostel-Freunden :) |
Die Deko auf der Engagementfeier |
Ein kleiner Eindruck des mehrgängigen Festessens :) |